Aus welchem Grund wurden 60 Arbeiter in Karaj angegriffen
und zusammengeschlagen?
Es war fast ein Jahr seit die letzte Generalversammlung des Koordinationskomitees
zur Schaffung von Arbeiterorganisationen im März 2011 stattgefunden
hatte. Nach unseren Satzungen musste die
Generalversammlung einmal jährlich stattfinden, so dass die Mitgliedschaft in
der Lage ist, eine Überprüfung des Lenkungsausschusses, seine Aktivitäten,
Inspektoren, unsere finanziellen Angelegenheiten sowie die Wahl eines neuen
Lenkungsausschusses und neuer Inspektoren durch zu führen. So schickte im
Februar 2012 das Koordinationskomitee
eine offizielle Anfrage an das Ministerium für Arbeit und beantragte einen
ihrer Hörsäle, um ihn für unsere Vollversammlung zu verwenden. Aber die Reaktion
auf unsere wiederholten Anfragen war negativ, und es erklärte ihre Missbilligung
verbal. Daher haben wir auf Basis der Entscheidung der Mehrheit der
Mitgliedschaft beschlossen, unsere sechste Generalversammlung am Freitag, den 15.
Juni 2012 in der Stadt Mehr-Shahr in der Provinz Karaj abzuhalten und gleichzeitig unsere
Anfrage für die Räumlichkeit weiter zu verfolgen.
Drei Freunde von mir, Jamil Rast'khadive, Rahman Kardar, und Ali Hossaini
verließen mit mir die Stadt Saghez am Donnerstagnachmittag in Richtung der Stadt
Karaj. Gegen 22:30 Uhr kamen wir in Emamzadeh Tahr in der Nacht an, kontaktierten
einen Freund und wir wurden von zwei anderen Freunden zu dem Haus, in dem unser
Treffen stattfinden sollte, gebracht ( Später nach meiner Entlassung aus dem
Gefängnis wurde mir klar, dass die Gegend dort „Armen Boulevard“ genannt wird).
Wir kamen zu dem Haus unseres Gastgebers auf der dritten
Etage an. Nach dem Klopfen an der Tür, öffnete eine sehr höfliche junge Dame
die Tür und stelle sich uns vor. Als wir eintraten, fühlte ich mich, als ob wir
in einem Lebensmittelgeschäft wären, die Eier verkauft! Alle Wände in diesem
Haus wurden mit leeren Eierkartons abgedeckt. Unser Gastgeber erklärte, dass
diese Abdeckung, für die Dämmung, den Sound und die Geräusche wäre, um die
Nachbarn nicht zu stören. Am nächsten Morgen als die meisten anderen Teilnehmer
eintrafen und während des Frühstücks die alltäglichen Gespräche liefen, dachte noch
niemand über den späteren Angriff und die Verhaftung durch die
Sicherheitskräfte auf unserer Versammlung nach.
Die sechste Jahrestagung des Koordinationskomitees zur Schaffung von
Arbeiterorganisationen begann um acht Uhr morgens mit ca. 60 TeilnehmerInnen
und sie wurde formell durch die Wahl eines Lenkungsausschusses eingeleitet.
Nach einer Stunde gab es verstreute Bemerkungen und Gespräche unter den
Teilnehmern über die Untauglichkeit dieses Raumes für unser Treffen. Wenn jemand
seine Bemerkungen machte, wurde er gebeten, leise zu sprechen, um die Nachbarn nicht
zu stören. Im Angesicht solcher Hindernisse dauerte die Sitzung bis Mittag, als
plötzlich die Mitteilung unter den Teilnehmern verbreitet wurde, dass die Sicherheitskräfte
die gesamte Nachbarschaft umstellt hatten. Ich und ein paar andere und unser
Gastgeber gingen zu einem Fenster, um uns ein Bild von der Situation zu machen.
Wir sahen eine riesige Versammlung von Sicherheitskräften direkt gegenüber
unseres Hauses, aber wir wurden von unserem Gastgeber informiert, dass sie
nicht unseretwegen da wären, und er bat uns, ruhig zu bleiben!
Wir setzten unsere Tagung fort, bis die Türglocke klingelte.
Die Person, die die Tür öffnete, sagte, dass jemand den Schlüssel für die
Dachterrasse benötigte.
Um Punkt 12.20 Uhr begann der Angriff auf uns, und Schüsse wurden abgefeuert.
Dutzende von bewaffneten Sicherheitskräften in Zivil, fluchend, schreiend und
beleidigend, klopften an die Tür. Jeder innerhalb dieses kleinen Hauses
versuchte, sich zu verstecken, wo immer er konnte. Sobald die Tür geöffnet
wurde, stürmten viele bewaffnete Sicherheitskräfte in Zivil herein, zielten mit
ihren Gewehren in unsere Gesichter und Münder und befahlen uns, sich auf den
Boden zu legen, mit dem Gesicht nach unten. Wir alle waren gezwungen, auf dem
Boden zu liegen, mit den Händen auf dem Rücken, und wenn jemand wagte, sich zu
bewegen, würde er von einer Gruppe von Schlägern, die am Ende durch unsere
Arbeit und Anstrengungen gefüttert und bezahlt werden, angegriffen. Wie sie uns
beleidigten und anschrien, kann man nur von ihren Lippen hören, denn ich schäme
mich wirklich, diese Wörter noch einmal zu wiederholen. Als einige der Agenten
unsere kurdische Kleidung bemerkten, begannen sie, uns anzugreifen, noch
wahnsinniger und schrien: "Ihr seid die, die für die Tötung von Tausenden
von Passdaran (Revolutionswächter) verantwortlich sind, und was zum Teufel
macht ihr denn in dieser Stadt, ..."
Ein Agent begann mit dem Fuß auf meinen Rücken zu treten.
Einer meiner Kollegen neben mir schrie ihn an: "Nicht treten, er hat Probleme
mit den Nieren." Die Agenten reagierten, indem sie mich härter traten und
schrien: "Lass seine Niere explodieren ..."
In diesem massiven Angriff wurde jeder einzelne schwer
zusammengeschlagen, von Kopf bis zum Zeh, während die Agenten immer wieder
schrien, dass wir ein Haufen von Terroristen seien.
Es gab eine Menge von verängstigten Menschen in dem Gebäude,
die sich versammelten und fragten, was los war und warum Schüsse gefallen waren?
Warum gab es so viele Leute da drin? Warum werden sie geschlagen? Ein
Kommandeur der Agenten brachte einige der Leute in den Raum, ein paar Frauen kamen
rein und beobachten uns, alle in Handschellen, verteilt auf dem Boden. Eine der
Frauen fragte, wer wir seien. Bevor wir etwas sagen konnten, sagte ein Agent zu
ihr, dass wir Terroristen seien und dass die Menschen dankbar sein sollten,
dass wir festgenommen wurden. Wenn einer von uns versuchte, die Wahrheit zu erzählen,
wurde er zusammengetreten. Praktisch alles in diesem Haus wurde zerstört und nur
eine Handvoll von Objekten war noch intakt.
Hussein Pirooti und ich waren die ersten, die mit gefesselten Füßen aus dem
Haus geschleppt wurden. Als wir das Haus verließen, wurden wir auf Video
aufgezeichnet. Eine Gruppe von Agenten stand auf den Treppenstufen, verprügelte
und beleidigte uns, wenn wir Ihnen nahe kamen. Wir wurden mit den Händen hinter
unserem Rücken gefesselt in den Wagen gezwungen. Wenn jemand den Kopf erhob, wurde
er geschlagen. Es dauerte eine sehr lange Zeit, uns alle in diese Autos zu
schleppen, die ganze Zeit mussten wir in diesem heißen, engen Raum all die
Schimpfwörter und Respektlosigkeit ertragen. Die Handschellen waren so
gefesselt, dass Khalid Hossaini und ein paar andere zu protestieren begannen,
und sagten, ihre Hände wären gelähmt. Die Antwort war: "Halt die Schnauze.
Ich wünsche bei Gott, dass deine Hände gelähmt werden“. Schließlich begannen
die Autos eine lange Fahrt in Richtung Gefängnis. Wieder wurden wir unverschämt
und respektlos behandelt. Jedem wurden die Augen verbunden, und wir wurden aufgereiht.
Leiseste Geräusche eines Einzelnen wurden mit Schlägen einer Gruppe von Agenten
beseitigt.
Wir wurden in mehrere große Hallen gebracht, unsere Schuhe
und Gürtel wurden abgenommen, wir wurden in zwei Gruppen aufgeteilt und jeweils
in einen riesigen Raum gebracht.
An diesem Punkt stellten wir fest, dass wir in der Abteilung 94 des Rajaei
Shahr Gefängnis von Karaj waren. Eine Abteilung für die politischen Gefangenen,
die unter der gemeinsamen Kontrolle des Ministeriums für Information und der Passdaran
steht. Nach Angaben der Gefangenen, die vor uns dort waren, gibt es in dieser
Abteilung sogar kein Besuchsrecht. Ein Gefangener, den ich dort sah, war Seyed
Mahmud Dolat'abadi, der seit 32 Monaten dort inhaftiert ist und über dessen
Fall noch nicht entschieden worden ist.
Die Verhöre begannen, nachdem wir in Zellen gesteckt worden waren. Während
meiner Verhöre wurde ich persönlich nicht respektlos behandelt, aber ich hörte
über einige, die respektlos behandelt und bei den Vernehmungen geschlagen worden
waren. Samstagmorgen um 4.00 Uhr, müde von den Schlägen und Verhören, wurden
wir aufgeweckt und gezwungen, mit dem Gesicht zur Wand zu stehen. Unsere Augen
wurden wieder verbunden und wiederum wurden wir angeschrien: „nicht reden“. Alle
waren einzeln herausgebracht, fotografiert und bedroht worden, ein Stück Papier
zu unterschreiben. Zunächst dachten wir, dass es eine Art von Fingerabdruckabnahme
sei, aber bald wurde einigen von uns klar, dass es sich um eine Selbstverpflichtung
handelte. Wieder waren wir am Samstagmorgen einzeln gerufen und gezwungen und bedroht
worden, aus dem Koordinationskomitee auszutreten, sonst wir würden im Gefängnis
bleiben müssen. Aber nicht ein einziger gab auf, jeder verteidigte unser Komitee
einstimmig. Trotz Einschüchterungstaktik, Beleidigungen und Gewalt waren wir
alle in bester Laune und ohne jede Angst; wir sangen unsere Arbeiter Hymnen.
Ohne einen einzigen von uns über die Anklage aufzuklären, wurden die meisten
von uns nach 32 Stunden freigelassen. Nach der Freilassung gingen wir zurück in
die Nachbarschaft und trafen einige der Menschen, die unsere Verhaftung
beobachtet hatten und klärten sie auf, dass wir weder Terroristen noch Saboteure
sind, sondern eine Gruppe von Arbeitern, die eine Arbeitersitzung abgehalten hatten.
Wir entschuldigten uns für die eventuell entstandenen Unannehmlichkeiten. Die
Leute sagten uns, sie hatten auf den ersten Blick festgestellt, dass wir
anständige Leute sind und die Sicherheitskräfte lügen.
Dies war ein kurzer Bericht von dem, was uns ist am Freitag, den 15. Juni 2012,
in Karaj passierte. Die Mitglieder des Koordinationskomitees wurden mit
Respektlosigkeit, Beschimpfungen, Schlägen und Einschüchterung ohne einen Grund
misshandelt.
Es sind zurzeit noch neun Mitglieder des Komitees eingesperrt.
Es sind: Frau Mitra Homayoni, Frau Rayhaneh Ansary, die Herren: Alireza Askari,
Saied Marzban, Mazyar Mehrparvar, Sirus Fatehi, Jalil Mohamadi, Faramrz Fetrat'nezhad,
Masoud Salim'pour.
Mahmud Salehi
21. Juni 2012