28 Oktober 2011

Ein Brief von Behnam Ebrahim Zadeh aus dem Gefängnis



Im Namen des ersten und letzten Freundes, der Mutter
Liebe Mutter,
die letzten Tage des Sommers verbringe ich mit Erinnerungen an meine blühende und grüne Stadt, in der ich mit Dir, Vater und meinen Brüdern ein einfaches Dorfleben hatte. Wir ernteten und bauten Rüben, Weizen, Erbsen usw. an und ich denke an die gemeinsamen Zeiten mit anderen jungen Dorfarbeitern.
In einigen Tagen wird es der 1. des Monats Mehr sein und das Schuljahr wird beginnen und dann kommt der 6. Oktober, der internationale Tag der Kinder.
Der 1. Mehr ist ein neuer Anfang in meinem Leben gewesen. Sowohl als Du an diesem Tag mich voller Freude in die Schule schicktest, um Lesen und Schreiben zu lernen und etwas werden, als auch die Tage, wo ich mich für die Bildung der Kinder einsetzte und jenem Tag erhoffte, an dem kein Kind mehr das Lernen entbehren müsste.
An diesen Tagen lernte ich das Lesen und Schreiben, aber leider konnte ich wegen Armut und anderer Schwierigkeiten im Leben nicht studieren. Du hattest gewünscht, dass ich ein Lehrer werde, aber das blieb nur ein Wunsch. Ich erlebte die soziale Ungerechtigkeit und wurde dadurch zu einem Verteidiger der Arbeiter- und Kinderrechte.
Jetzt ist dein Sohn, der sich von ganzen Herzen für die Beseitigung der Ungerechtigkeiten engagierte, zum zweiten Mal am 1. Mehr fern von der Schule und den Kindern. Ich habe in diesen zwei Jahren von euch, meinen liebsten, und der Nähe zu den Kindern geträumt. Aber die Gitter des Gefängnisses haben verhindert, dass dieser Traum wahr geworden ist.
Meine liebe Mutter, ich werde auch in diesem Jahr den. 1. Mehr mit den Erinnerungen an jene Tage, die Du mich zur Schule schicktest, verbringen. Dein Blick war voller Freude und Begeisterung, mich im fröhlichen Kreis der unschuldigen Kinder unserer Stadt zu sehen. Du erinnerst Dich bestimmt an die Tage, an denen du mich zum Üben des Schulmaterials zu unserem Nachbarn brachtest. Jene schwierigen Jahre, die mich bewegt hatten, mich später für die Befreiung der Kinder von den Ketten des Analphabetismus und der Unwissenheit einzusetzen. 
Liebe Mutter, heute hier, hinter diese hohen Mauern mit Stacheldraht und mit dem Blick der Gefängniswächter auf den Aufsichtstürmen, sehne ich mich nach den Zeiten mit euch, meine Freunde, die Kinder und die Nachbarn. Ich zähle die Stunden, um eines Tages wieder die Freude und das Glück der spielenden Kinder zu erleben. Ich zähle die Stunden, um eines Tage bei meinem Sohn Nima und meinen Nichten und Neffen zu sein.
Meine liebe Mutter, richte bitte allen meinen Freunden und Bekannten meine Grüße aus und sage ihnen, dass sie das Leben und die Nähe zu den Kindern wertschätzen sollen.
Meine Mutter, ich lernte von meinem Vater, dass ich ein guter Schüler des Lebens sein sollte und aus der Geschichte lernen sollte, dass manche Gelegenheiten einmalig und unwiderruflich sind. Um die Prüfung des leben ehrenhaft zu bestehen, muss man den Mut haben und die Option  Widerstand wählen.
Liebe geduldige Mutter, ich bin stolz auf dich, dass Du mir mit Geduld und Beharrlichkeit die Standhaftigkeit gegenüber Schwierigkeiten gelehrt hast. Als Du von dem „20 Jahre-Haft-Urteil“ für mich erfahren hattest, sagtest du mir “ich bin stolz auf Dich“.
Ich liebe Dich, weil du liebenswürdig bist. Ich drücke warm deine Hände und beuge mich vor deinem reinen Herz, weil Du die Legende des Widerstandes bist.
Behnam Ebrahim Zadeh, Evin-Gefängnis